Liebe ohne Trauschein - Beobachtungen
Es gab sie in Einzelfällen schon immer. Es gibt sie seit Jahrzehnten immer mehr: Paare, die ohne Trauung zusammenleben. Nach anfänglicher Verunglimpfung dieser Lebensform als „wilder Ehe“ hat die Gesellschaft sich an sie gewöhnt und sie akzeptiert. Es gibt keine Probleme mehr, als unverheiratetes Paar eine gemeinsame Wohnung zu finden oder eine Familie zu gründen. Versicherungen bieten Paartarife an, ohne nach einem Trauschein zu fragen; die gemeinsame Wohnung reicht als Ausweis des Paarseins. Denn das Zusammenziehen dokumentiert die Entscheidung für ein Leben zu zweit, so wie früher die Heirat erst
das Zusammenleben möglich machte.
Monogame Lebensform
Häufig leben Paare erst ohne Trauschein zusammen und heiraten später, vor allem, wenn Kinder da sind oder geplant sind. Man spricht in der Soziologie deshalb von einer Kind-orientierten Eheschließung. Wenn ein Paar keine Familie plant oder sich nach der Familienphase trifft, bleiben viele unverheiratet. Momentan sind ca. 20 % der zusammenlebenden Paare nicht verheiratet, Tendenz steigend. Das Gemeinsame von Ehen und „nichtehelichen Lebensgemeinschaften“, wie diese offiziell nun heißen, ist die durch Treue und Liebe geprägte monogame Beziehung, die auf Dauer angelegt ist und in der man „Tisch und Bett teilt“. Man merkt Paaren in der Regel nicht an, ob sie verheiratet sind oder nicht. Denn es kommt ja letztlich auf die Gestaltung der Beziehung an, nicht auf die Form.
Kirche und „wilde Ehe“
Als Kirche äußern wir uns kaum zu dem Phänomen, dass sich in unserer Gesellschaft eine eheähnliche Lebensform etabliert hat. Wir tolerieren und respektieren offensichtlich diese verbindlichen Lebensbeziehungen. Es gibt sie natürlich auch in unserer Kirche. Seit 2009 erlaubt der Staat Paaren ohne standesamtliche Eheschließung sogar, kirchlich zu heiraten. Die Kirchen haben diese Öffnung für die kirchliche Trauung jedoch von Anfang an abgelehnt und werben dafür nicht. Die genauen Gründe dafür bzw. dagegen sind nicht mal mir als Theologin bekannt. Es wurde nirgendwo offen diskutiert.
Segen für Paare mit und ohne Trauschein
Allerdings ist es auch für Paare, die aus welchem Grund auch immer nicht heiraten, möglich, in der evangelischen Kirche Gottes Segen für ihre Gemeinschaft zugesprochen zu bekommen. Denn der Segen Gottes hat keinen Vertrag mit einer bestimmten Lebensform und hängt nicht an der einen weltlichen Form der Ehe. Segen liegt auf gegenseitiger Liebe und Fürsorge.
Autorin: Birgit Niehaus, Pfarrerin in St. Matthäus
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