Gottvertrauen und Todesruhe

Die Blätter fallen, fallen wie von weit,
Als welkten in den Himmeln ferne Gärten;
Sie fallen mit verneinender Gebärde.
Und in den Nächten fällt die schwere Erde
Aus allen Sternen in die Einsamkeit.
Wir alle fallen. Diese Hand da fällt.
Und sieh dir andre an: es ist in allen.
Und doch ist Einer, welcher dieses Fallen
Unendlich sanft in seinen Händen hält.

Rainer Maria Rilke drückt in seinem Herbstgedicht unnachahmlich aus, was für uns Menschen so schwer anzunehmen ist. Der Herbst wird ihm zum Symbol für die schmerzliche Realität des Todes: „Diese Hand da fällt. Und sieh dir andre an: es ist in allen.“ Schnell möge es gehen, kurz und schmerzlos, so wünschen wir es uns. „Hauptsache gesund“, höre ich immer wieder bei Besuchen und doch ahnen wir, dass Gesundheit letztlich nur ein Geschenk auf Zeit ist. Rilke belässt es aber nicht bei der bedrückenden Einsicht in die Endlichkeit des menschlichen Lebens: „Und doch ist Einer, welcher dieses Fallen unendlich sanft in seinen Händen hält.“ Hieraus spricht die Zuversicht eines Menschen, der die Fragen, nach dem Woher und Wohin des Lebens nicht ausklammert. Da ist „einer“, der dem Tod gewachsen ist, einer, der seine Hände offenhält, in den mein Leben einmündet. Woher kommt dieser Glaube, diese Gelassenheit, die man heute nur noch selten auf Traueranzeigen findet? Was boomt sind Vorstellungen, nach denen der Mensch namenlos in den ewigen Kreislauf der Natur eingeht oder in anderer Form wiedergeboren wird.  Die Aufnahme vom Friedhof am Kloster Roggenburg bei Ulm (s.o.) zeigt einen großen runden Stein, so zur Seite gerollt, dass aus der Toröffnung die Sonne hindurchstrahlen kann. Es ist die monumentale Darstellung einer geöffneten Grabkammer, die an diesem denkwürdigen Ort auf das Bekenntnis der Auferweckung Jesu Christi verweisen soll. Nach christlichem Verständnis und biblischem Zeugnis ist die Auferstehung Jesu Christi von den Toten die Grundlage der Zuversicht, dass jedes menschliche Leben in seiner Einzigartigkeit bei Gott seinen Frieden und seine Ruhe findet. Dass dabei die Person erhalten bleibt, drückt bereits das Geschehen der Taufe aus. Der Name, seit je her eine Art Realsymbol der unverwechselbaren Identität jedes Menschen, wird schon bei der Taufe mit dem Namen Jesu Christi zusammen genannt. Was es heißt im Leben wie im Sterben gehalten zu sein und daraus Kraft und Energie auch für schwere Stunden zu gewinnen drückt der Liederdichter Arno Pötsch 1941 in einem unserer Lieder so aus: „Du kannst nicht tiefer fallen als in Gottes Hand, die er zum Heil uns allen barmherzig ausgespannt.“ (EG 533,1).

Autor Hansjörg Schemann

 

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