Wissen Sie noch, was sich unser Gockel in der Weihnachtsausgabe vorgenommen hatte? Er sagte: „Ich fliege weg von meinem Dach und suche Gott an anderen Orten als hier in meiner Kirche.“ Inspiriert worden war er von der Weihnachtsgeschichte, wo auch viele unterwegs sind. Also frage ich meinen Gockel mal, was er in den letzten Wochen erlebt hat: „Hallo Gockel, Du bist ja wieder da, auch wenn das Dach leider immer noch nicht repariert ist. Wie war Deine Reise? Hast Du Gott woanders gefunden?“
„Ja, ich habe unglaublich viel erlebt in der langen Zeit. Das kann ich gar nicht alles erzählen. Vor einigen Wochen war ich in Hanau, wo ein Mensch mit seinem rassistischen Hass auf andere geschossen hat und neun Menschen, dann seine Mutter und sich umgebracht hat. Da bin ich ganz stumm geworden und habe nur geschaut und geweint. Viele andere auch. Ich habe leise gefragt: „Gott, wo bist du hier?“ Und es blieb still. Ob es ihm auch so erging wie mir? Sprachlos vor Trauer? Unser Bundespräsident Steinmeier war da und rief die Bürger zu Rücksichtnahme und Solidarität auf. Dies sei das stärkste Mittel gegen den Hass, sagte er. „Halten wir dagegen, wenn Einzelnen oder Minderheiten in unserem Land die Würde genommen wird. Achten wir auf unsere Sprache in der Politik, in den Medien, überall in der Gesellschaft.“ Es gibt viel Mitgefühl mit den Opfern und ihren Familien. Ich spüre eine große Sehnsucht in unserem Land, friedlich miteinander leben zu wollen. Gott stärkt uns auf diesem Weg des Friedens, denn er ist ein Friedensstifter, der sagt: „Selig sind, die Frieden stiften, denn sie werden Gottes Kinder heißen.“ Was für ein toller Gedanke: Alle, die zum Frieden beitragen, gehören zu Gott, sind seine Kinder! Gott ist, wo Menschen sich nach Frieden sehnen. Frieden spüre ich auch in diesen warmen Frühlingstagen auf meinem Dach. Da bin ich Gott ganz nahe und krächze voller Jubel in den Himmel: Danke, Gott, für dieses satte Grün überall, für die bunten Blumen und die Wärme der Sonne. Halleluja kikeriki.
Als ich von meinem Ausflug zurückkam, sagte meine Pfarrerin mir, dass wegen dem Corona-Virus die Gottesdienste und Veranstaltungen ausfallen und auch die meisten Kinder der KiTa zuhause bleiben. Das hat mich traurig gemacht. Außerdem war`s voll langweilig auf dem Kirchturmdach und deshalb bin ich wieder losgeflogen und habe gesehen, dass viele Menschen zuhause in ihren Wohnungen sitzen.
Überall habe ich viele fleißige Helferinnen und Helfer herumflitzen sehen, die für andere Besorgungen erledigen. Und Menschen, die zuhause Gottesdienste feiern, beten, singen und Musik machen. Oh ja, Gott ist an vielen Orten, nicht nur in der Kirche. Das weiß ich nun ganz genau. Aber ich bin trotzdem wieder auf meinen Posten zurückgekehrt und warte darauf, dass es endlich wieder Gottesdienste in meiner Kirche gibt. Bin schon sehr gespannt auf meine Gemeindeglieder und freue mich wie ein Honigkuchengockel, sie alle wiederzusehen.
Bis bald in St. Matthäus und seid herzlichst gegrüßt
von Eurem Matthäusgockel
und Eurer Pfarrerin Birgit Niehaus