Angedacht

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Angedacht

Wahrlich, ich sage euch: Wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht ins Himmelreich kommen. (Matthäusevangelium 18,3)

Liebe Leserin, liebe Leser,

die Sommerferien sind vergangen und ich hoffe, Sie hatten einen erholsamen und beglückenden Sommer. Nun beginnt ein neues Schuljahr, nach dem auch ich mich richte, weil ich als Pfarrer Evangelische Religion an Grund-, Mittel-, Real-, und Wirtschaftsschulen, sowie an Gymnasien unterrichte. Früher war das eine Herausforderung für mich, der ich mich gerne entzogen hätte. Mittlerweile liebe ich es, mit Schülerinnen und Schülern gemeinsam auf Entdeckungsreise zu gehen. Dabei den Lehrplan im Kopf zu haben und gleichzeitig eingehen zu können, auf das, was die Kinder und Jugendlichen gerade bewegt: Der Leistungsdruck von zu Hause, die Angst vor schlechten Noten, der Streit der Eltern oder der mit Klassenkameraden, die verwirrend komplexe Welt mit allen schreienden Angeboten und Geboten, wie man als Junge oder als Mädchen sein soll, um anzukommen, um angenommen, ja beliebt zu sein. Dazu die virtuelle Welt gleich auf dem Bildschirm in der Hosentasche, die dich ablenkt und in Kontakt bringt mit so vielem, und dich dennoch alleine zurücklässt, weil keine wirkliche Verbindung wachsen kann, die trägt. Um damit klar zu kommen, um die Manipulierung durch all diese (An-)Gebote zu erkennen, ja, sich selbst reflektieren zu können, dafür gibt es kaum Raum in der Schule. Gut, dass es den Religionsunterricht gibt. Denn er orientiert sich an den Bedürfnissen und Fragen der Heranwachsenden und sieht in ihren Entwicklungsschritten – auch denen, die stören oder von Erwachsenen als Fehlentwicklungen angesehen werden – je einzigartige Lösungsstrategien dieser jungen Menschen. Denn das christliche Menschenbild muss die Kinder nicht in eine bestimmte Entwicklung drängen oder (er-)ziehen, sondern vertraut ihnen, dass sie selbst die für sie richtigen Schritte gehen, unterstützt und begleitet sie dabei. Es glaubt an sie, wie einer meiner Lehrer mir einmal sagte: Wichtiger, als dass Du an Gott glaubst, ist ja, dass Gott an Dich glaubt. Wenn das stimmt, dann machen wir es anders, als der Dorfschulmeister in dem Gedicht von Christian Morgenstern, das die veraltete Pädagogik verspottet:

Ein Werwolf eines Nachts entwich/ von Weib und Kind und sich begab/ an eines Dorfschulmeisters Grab/ und bat ihn: Bitte, beuge mich!

Der Dorfschulmeister stieg hinauf/ auf seines Blechschilds Messingknauf/ und sprach zum Wolf, der seine Pfoten/ geduldig kreuzte vor dem Toten:

„Der Werfolf“ – spach der gute Mann - :/ “des Weswolfs, Genitiv sodann,/ dem Wemwolf, Dativ, wie man’s nennt,/ den Wenwolf, - damit hat’s ein End.“

Dem Werwolf schmeichelten die Fälle,/ er rollte seine Augenbälle./ Indessen, bat er, füge doch/ zur Einzahl auch die Mehrzahl noch!

Der Dorfschulmeister aber musste/ gestehn, dass er von ihr nichts wusste./ Zwar Wölfe gäb’s in großer Schar,/ doch „Wer“ gäb’s nur im Singular.

Der Wolf erhob sich tränenblind/ – er hatte ja doch Weib und Kind!/ Doch da er kein Gelehrter eben,/ so schied er dankend und ergeben.

Herzlich grüßt Sie
Ihr Pfarrer Matthias Leibach