Angedacht

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Angedacht

Thomas aber, einer der Zwölf, der Zwilling genannt wird, war nicht bei ihnen, als Jesus kam. Da sagten die andern Jünger zu ihm: Wir haben den Herrn gesehen. Er aber sprach zu ihnen: Wenn ich nicht in seinen Händen die Nägelmale sehe und lege meinen Finger in die Nägelmale und lege meine Hand in seine Seite, kann ich’s nicht glauben.“ (Johannes 20, 24f)

Liebe Leserin, lieber Leser,

der Volksmund nennt ihn den „ungläubigen Thomas“. Aber stimmt das? Er ist nicht dabei, als der Auferstandene den Jüngern das erste Mal erschienen war. Sie sagen es ihm: „Wir haben den Herrn gesehen.“ Aber Thomas kann es nicht glauben. Genauso wenig übrigens, wie die Jünger den Frauen glauben können, als diese allen Tage zuvor vom leeren Grab berichteten. Thomas ist also nicht ungläubiger als seine Kollegen. Er ist aber der Jünger, der seine Zweifel ausdrückt nach dem Motto: Ich möchte vorher die Wunden in seinen Händen und in seiner Seite sehen.

Was macht Thomas hier? Ist das Unglaube? Nein. Ist das Zweifel? Ja. Aber es ist noch viel mehr. Es ist die Fähigkeit zu hinterfragen. Da will einer den Dingen auf den Grund gehen und nicht einfach „Ja und Amen“ sagen zu einer ungeheuerlichen Behauptung. Das ist – wie ich finde – wunderbar kritischer Forschergeist.

Aber sieht das Jesus auch so? Auf den ersten Blick nicht. Er sagt zu Thomas: „Sei nicht ungläubig, sondern gläubig.“ Aufhorchen lässt aber, was er ihm unmittelbar davor sagt: „Reiche deinen Finger her und sieh meine Hände, und reiche deine Hand her und lege sie in meine Seite.“ Jesus wiederholt also fast wörtlich, was Thomas vorhatte. Er fordert ihn dazu auf, seinem Wunsch zu folgen, den Dingen auf den Grund zu gehen: „Schau und forsche nach, berühre und begreife!“ Jesus wusste wohl, dass Verstehen von Begreifen kommt. Ich verstehe das deshalb als Aufforderung Jesu auch an uns: Wenn Du glaubst, bewahre Dir Deine kritischen Fragen! Bring beides zusammen: Dein Vertrauen und Deinen Forschergeist, der den Worten auf den Grund gehen möchte.

Dennoch endet die Geschichte mit dem Satz Jesu: „Selig sind, die nicht sehen und doch glauben.“ Aber dazu mehr im nächsten Angedacht.

Herzlich grüßt Sie
Ihr Pfarrer Matthias Leibach